In unserer Rubrik "Menschgefühl" zeigen euch unsere Lyriker*innen, die verschiedenen Facetten des menschlichen Seins, denn in kaum einer anderen Gattung als in der Lyrik können Gedanken und Gefühle so malerisch ausgedrückt werden. Es folgen Gedichte von Moritz Tiemann (Q1).

 

"Der Strand"

Die Wellen kitzeln sanft den Sand
die Möwen schrei'n im Luftkonzert
Die Ruhe-Idylle nimmt Oberhand
löst den Riegel, der den Alltag beschwert
Der blaue Himmel wie ein Diamant
über unsrem Kopfe kehrt
die Sonne mit ihrem glühend Gewand
ein alter Freund, der nie verjährt
uns schmückt mit einem neuen Taint
und zum Tagesend den Himmel färbt
Ach, wie liebe ich den Strand
Ach, was ist dies' Leben wert

Das Wasser glitzert im hellen Licht
der Sonne, welche Wonne weckt
antreibt Gezeiten, wohl erpicht
dass das Nass das Strändle leckt
Dies edel erhaben' Stimmung besticht
mit seinem ruhig-einmalig Effekt
Der Anmut der königlichen Gischt
Der milde des Ufers Haut verdeckt
Und nun sitze ich hier, hier bin ich ich
denn hier habe ich mich selbst entdeckt
Ach, der Strandgedanke - ein Gedicht
Ach Wohle dem, der das entdeckt

 

Stehst mir gegenüber, falsch und verschmitzt,
Hat da grad dein Aug' geblitzt?
Was denkst du, was geht in dir vor?
Was wird noch aus dir, hast du Angst davor?

Schaust mich an mit nichtssagendem Blick
Willst du mich durchlöchern, ist das dein Trick?
Und wenn ich mich in deinem Blick verlier,
frag ich mich: Bist du zufrieden mit dir?

Mustere dich - tief und lang
Du tust es mir gleich, ziehst mich in deinen Bann
Was birgt dein Inneres wirklich?
Bist du ehrlich so glücklich?

 

"Wehrlos"

Es bringt nichts zu kämpfen,
es bringt nicht zu schrei'n
Bei dieser Schmerzens Ausgeburt
die sich drückend um mein Herzen zurrt

Es bringt nichts zu hoffen,
es bringt nicht zu weinen
Bei all deinem bösen Blut das nie gerinnt
Da immer dieser Schmerz gewinnt

Es bringt nichts zu vergessen,
glücklicher zu sein
Ohne Chance zur Gegenwehr
kann ich all das nicht mehr

 

"Winde"

Winde sind wie lichter Brand
ohne Notausgang zur Hand
Die brennen ewig auf der Seele
und kratzen trocken in der Kehle
Denn Winde fächern Gefangenheit

Winde sind wie Hoffnungsschimmer
leuchten auf doch bleiben nimmer
Verschwinden, traurig, ungenutzt
lediglich mein Herz beschmutzt.
Denn Winde fächern Traurigkeit

Winde sind wie Trauungswellen
die nur am harten Fels zerschellen
Überschwemmen mit den Schuldgefühlen
die mir fortan im Gewissen wühlen
Denn Winde fächern tosend Streit

Winde sind wie Liebeswehen,
die in mir träumen, doch vergehen
In mir sterben traurig leer
Spröde-grau wie harter Teer
Denn die Winde fächern Einsamkeit

Und Winde halten für die Ewigkeit

 

"Briefe"

Tinte flutet meine weißen Seiten
Die meine Gefühle in der Luft zerreißen
In denen meine ganze Geschichte steht
In denen mein Herz um Gnade fleht

Worte über Worte wandern aufs Papier
doch sie gehen nicht, sie bleiben hier
Auf dem Friedhof meiner Seele
Auf Ewigkeit, in der ich mich quäle

Meine Briefe lese ich allein
Es fällt mir so schwer zufrieden zu sein
Denn mein schmerzerfülltes Leiden
lässt sich nicht in Tausend Briefen beschreiben